RHEIN-LAHN/DIEZ-FREIENDIEZ. Den Talar mit der Uniform der Feuerwehrleute tauschten die Pfarrer des evangelischen Dekanates Diez ein. Bei einem Besuch der Stützpunktwehr der Verbandsgemeinde Diez in Diez-Freiendiez ließen sich die Theologen in das Arbeitsfeld der freiwilligen Retter hineinversetzen. Die Pfarrerin für die Notfallseelsorge Rhein-Lahn, Ulrike Braun-Steinebach, hatte gemeinsam mit Wehrführer Dieter Tiller zum Austausch zwischen Seelsorge und Feuerwehr eingeladen.
Nach der gemeinsamen Andacht inspizierten die Pfarrer unter Leitung von Wehrführer Dieter Tiller, Gerätewart Thomas Thorn und Feuerwehrmann Christian Wuth, selbst Notfallseelsorger, das modern ausgebaute Gerätehaus, den Fahrzeugpark, die Wartungsanlagen für Schutzmasken und Schläuche sowie das Herzstück der Einheit, die Einsatzschaltstelle. Dabei erhielten die Theologen nicht nur einen Einblick in die moderne Technik, die die ehrenamtlichen Helfer heutzutage bedienen können müssen, sondern wurden auch mit Rettungsabläufen vertraut gemacht.
Wenn die Wehr alarmiert wird, stehen laut Tiller immerhin zwischen 15 und 25 Leuten an einem normalen Werktag schnell zur Stelle, um zum Einsatzort auszurücken. Über insgesamt rund 70 aktive Einsatzkräfte verfügt die Wehr Diez-Freiendiez, zehn davon sind Frauen. Damit den Theologen bewusst wurde, welch körperlicher Einsatz den Kräften abverlangt wird, probierten einige von ihnen einmal eine Uniform und einen Feuerwehrhelm an oder schnallten sich eine Gasflasche auf den Rücken, mit dem die Atemschutzträger im Ernstfall ausgerüstet sind. Beim Rundgang wurde auch deutlich, welch hohe Verantwortung auf den ehrenamtlichen Kräften in ihrem Dienst lastet.
Bei dem Besuch ging es nicht nur um körperliche, sondern auch um seelische Belastungen und die „Erste Hilfe“, die von den Notfallseelsorgern an Unfallorten und bei Todesfällen, aber auch für die Einsatzkräfte geleistet wird. Ulrike Braun-Steinebach erläuterte ihren Amtsschwestern und –brüdern sowie den Vertretern der Feuerwehr die Zusammenarbeit der Notfallseelsorger mit den Rettungskräften, etwa bei einem schweren Verkehrsunfall. 41 Mal wurden die Notfallseelsorger im vergangenen Jahr angefordert.
Die 35 Notfallseelsorgerinnen und Notfallseelsorger, die im Jahr 2006 – im Ost- und Westteil des Kreises getrennt – durchschnittlich drei bis vier Wochen Bereitschaftsdienst leisteten, waren zwischen 15 Minuten und fünf Stunden Stunden im Einsatz. Verständigt wurden die Seelsorger fast überwiegend von der Rettungsleitstelle in Montabaur, in einigen Fällen aber auch von der Gemeinde, von Polizei oder Feuerwehr. Die Einsatzzeiten verteilten sich in etwa gleich auf Morgen, Nachmittag, Abend und Nacht. Häusliche Todesfälle waren 2006 die Hauptursache für die Alarmierung. Außerdem wurden die Notfallseelsorger zum Überbringen von Todesnachrichten angefordert, bei Selbstmorden, zwei Bränden und vier Verkehrsunfällen mit Todesfolge. Die Zahl der Einsätze lag 2006 fast doppelt so hoch wie im Vorjahr.
Wichtig ist Braun-Steinebach der Austausch mit den Rettungskräften, um das gegenseitige Verständnis für die Aufgaben zu intensivieren, sei es bei Gottesdiensten für Einsatzkräfte oder bei Besuchen von Rettungsdiensten. Dem sollte auch der Besuch in der Feuerwache Diez-Freiendiez dienen. Qualitätssicherung und Weiterentwicklung von Standards stellen für Braun-Steinebach, die von Montabaur aus auch die Notfallseelsorge im Westerwaldkreis koordiniert, zentrale Herausforderungen für die Zukunft dar. Dabei steht auch die Einrichtung von Gruppen für kollegiale Fallbesprechungen ganz oben auf der Perspektiv-Liste fürs Jahr 2007.
Von den 35 Notfallseelsorgern sind 31 Theologen, vier Laien, sechs sind katholisch, 29 evangelisch, 16 kommen aus dem Ost-, 19 aus dem Westteil des Kreises einschließlich Koblenzer Stadtteile. Braun-Steinebach wirbt immer wieder auch um Verstärkung, um die Bereitschaftszeiten, die zurzeit bei drei bis vier Wochen pro Jahr liegen, reduzieren zu können.
Die Einrichtung der Notfallseelsorge vor sechs Jahren war indirekt eine Folge des Flugunglücks von Ramstein und der damit verbundenen Traumatisierung von Menschen, die die Katastrophe miterlebt hatten. „Die Betreuung dieser Opfer noch an der Unfallstelle kann eine Traumatisierung verhindern helfen“, so Braun-Steinebach. Der Leitende Notarzt Dr. Hans Jaeger und Kreisfeuerwehrinspekteur Gerd Grabitzke hatten sich damals an Propst Weber gewandt, um ein dichtes Netz von Notfallseelsorgern im Rhein-Lahn-Kreis aufzubauen. (bcm)
