Von Elisabeth lernen: Andere gl?cklich machen schenkt Gl?ck

thumb_1elipropst1DIEZ-FREIENDIEZ/RHEIN-LAHN. „Krone, Brot und Rosen“ ist eine Wanderausstellung über Elisabeth von Thüringen in der evangelischen Jakobuskirche in Diez-Freiendiez überschrieben, die dort noch bis zum 13. Mai zu sehen ist. Dass das Leben und Wirken der Landgräfin und Heiligen, die vor 800 Jahren geboren wurde, auch Hilfe und Bereicherung für das Leben der Menschen heute sein kann, unterstrich jetzt der Propst für Südnassau, Dr. Sigurd Rink in einem Vortrag. In ihrer Abkehr vom Hochadel und ihrer Hinwendung zu den Armen, vor allem mit ihrer Freude am Engagement für andere könne sie auch heute noch dazu beitragen, Orientierung für das eigene Leben zu geben.

Im Folgenden finden Sie eine Zusammenfassung des Vortrags:

„Wenn das Brot, das wir teilen als Rose blüht –
800 Jahre Elisabeth von Thüringen“

Brot und Rosen. Diese Schlagworte kennen wir zu Elisabeth von Thüringen. Ganz so idyllisch, wie die Worte und die legendenhafte Überlieferung vermuten lassen, ging es in Elisabeths Leben allerdings nicht immer zu. Sie hat auch die ganz andere Seite des Lebens – die Not, das Leid und die bittere Armut gekannt, die viele Menschen zu ihrer Zeit erleiden mussten. Wie sich diese beiden Seiten, der Reichtum und die Schönheit auf der einen und die bittere Not und das Leid auf der anderen Seite verbunden haben in diesem konkreten Leben: wie also aus der hochgeborenen Königstochter eine Helferin, eine, im wahrsten Sinne des Wortes „Mitleidende“ der Armen wurde, das macht die Besonderheit und den Reiz von Elisabeths Leben aus. 

Wir wissen nur wenig über das Leben dieser berühmten Frau, fast keine „Daten und Fakten“, an denen wir heute so gerne unser Wissen festmachen – dafür umso mehr Erzählungen, Legenden, Bilder – Geschichten, die ihr Leben illustrieren. Als „gesichertes Wissen“ gilt, dass Elisabeth aus königlichem Haus stammte, vermutlich aus Ungarn. Im Alter von 14 Jahren wird sie mit Landgraf Ludwig IV. von Thüringen verheiratet, mit dem sie drei Kinder bekommt und, wenn man den Zeugnissen der Zeitgenossen glauben darf, trotz arrangierter Ehe eine sehr innige, glückliche Beziehung führt. Diese endet bereits nach sechs Jahren, im November 1227, als Ludwig bei einem Kreuzzug stirbt. Vermutlich aufgrund von Erbstreitigkeiten muss Elisabeth die Wartburg in Thüringen verlassen und zieht nach Marburg, zu ihrem Beichtvater Konrad, wo sie ihre karitative Tätigkeit, die sie bereits in Thüringen mit ihrem Mann begonnen hat, fortsetzt und intensiviert. thumb_1kronebrot

Eine konkrete Begebenheit kann vielleicht ein besseres Licht auf diese Frau werfen und Ihre besondere Art des Einsatzes für die Benachteiligten beleuchten: Zu Marburger Zeiten soll Elisabeth kurzerhand einen großen Teil ihres Vermögens spontan an die Armen verteilt und zu diesem Anlass ein Fest gegeben haben, an dem Freude und Lachen eine große Rolle spielten und „sie sich zufrieden darüber äußerte, die Menschen glücklich gemacht zu haben“. Vielleicht ist diese Freude und der Anteil am „Glück“ der Anderen ein Schlüssel zu Elisabeths Motivation, dem Grund und Hintergrund ihres Handelns! Darauf komme ich später noch einmal zurück.

Und heute? Wie gehen wir heute mit dem Wohlstand, mit unserem „Platz in der Gesellschaft“ um? Wer es geschafft hat, hat „Glück gehabt“ im Leben oder hat es sich „sauer verdient“. Diese Gewissheit und Sicherheit ist bei vielen von uns ins Wanken geraten – Arbeitslosigkeit, sozialer Abstieg – das sind nicht mehr nur Schlagworte aus dem Fernsehen und den Zeitungsnachrichten, nicht mehr nur Schicksale, die andere, schon immer am Rand der Gesellschaft stehende Menschen betreffen. Soziale Absicherung, Rente, Krankenversorgung – all die jahrelang für selbstverständlich gehaltenen Werte unserer Gesellschaft sind plötzlich fraglich geworden und nicht mehr nur die ewigen Schwarzseher fragen sich: In welcher Gesellschaft leben wir eigentlich? Was ist uns wichtig, worauf können wir uns verlassen?

Diese Frage ist vielleicht nur befriedigend zu beantworten, wenn wir sie nicht nur für uns selber klären wollen – also nicht: was ist mir wichtig für mein Leben, welche Werte, welche Sicherheiten, welche Grundlagen brauche ich, sondern auch, ja vielleicht sogar in erster Linie: was kann ich tun, wie kann ich anderen helfen, wie kann ich daran mitwirken, dass diese Gesellschaft eine gerechte und lebenswerte, dass unsere Zukunft eine gemeinsam verantwortbare wird? Gemeinschaftsbezogenheit, das „Da-sein“ für den anderen ist ein Grundwert des menschlichen Lebens. Schon in der Schöpfungsgeschichte ist der Mensch auf ein Gegenüber angelegt („Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei.“, Gen 1). Die Verletzung dieser Gemeinschaftsbezogenheit wird demgegenüber als Ursünde beschrieben, das lehrt uns die Geschichte von Kain und Abel. Die Beziehungslosigkeit ist ein Merkmal des Todes. Eine Gesellschaft, in der sich jeder nur um sich selbst kümmert, nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht ist, ist also in ihrem Innersten, ihrem Wesen nach „tot“ – sie bringt nichts lebendiges mehr hervor, sie kennt keine Hoffnung.

thumb_1ausstell2Das Argumentationsmuster ist häufig das gleiche: „Ich muss mich erstmal um mich selbst kümmern, meine eigenen Probleme lösen, sehen, dass ich selbst auf einen gesicherten Boden komme, bevor ich mich auch noch um andere kümmern kann.“ Im Gegensatz dazu steht die Erfahrung, dass viele Dinge, die unser Leben wirklich „bereichern“, es wirklich reich und lebenswert machen, eben gerade nicht selbst „herstellbar“, und nicht allein von unserem Einsatz abhängig sind. Oft stimmt die banale Weisheit: wer gibt, bekommt selbst ganz viel zurück.

Ein Vater hat das neulich einmal sehr plastisch und eindringlich geschildert: seit der Geburt seiner Zwillinge, sagte er, kenne er den immer wiederkehrenden, Wunsch nach Ruhe, nach Rückzug, nach einem Raum nur für sich. Erst an diesem Ort, erst in dieser Zeit, so seine Vermutung, werde er wieder Kräfte sammeln. Die erstaunliche Beobachtung nach einigen Monaten war allerdings eine andere. Gerade in den scheinbar banalsten Tätigkeiten, im Herausbringen des Windeleimers nachts um 23 Uhr beispielsweise, im Vorlesen des immer gleichen Buches oder im Tränen abwischen und trösten – gerade in diesen so unspektakulären Tätigkeiten, in denen er allein für seine Kinder da gewesen war, erlebte er sich als „bei sich selbst“ und glücklich.

Und Elisabeth? Vielleicht ist ja auch Elisabeth nicht nur die ganz selbstlose Helferin, die man bewundern, deren Leistung und Lebensstil man aber letztlich nicht erreichen kann – vielleicht hat diese „Heilige“ ja doch mehr mit uns gemein, als wir manchmal gerne wahrhaben möchten. Was, wenn Elisabeth nicht nur selbstlos und uneigennützig, sondern auch aus einem ganz und gar irdischen – und das meine ich im positivsten Sinn – und lebensfreundlichen Antrieb gehandelt hat. Was, wenn sie in all ihrer Askese und ihrem bewundernswerten Altruismus nicht nur den vorweggenommenen Himmel, das Leben einer weltenthobenen Heiligen, sondern etwas ganz und gar Irdisches erlebt hat: die Freude am Engagement für Andere, das „gute Gefühl“, etwas tun und bewegen zu können. Wäre ihre Leistung dann weniger wert? Wäre ihr Leben dann weniger zu bewundern? Ich denke, nein.

Die Verbindung von beidem – Reichtum und Armut, Einsatz und Freude, Geben und Gewinn, sie macht den Sinn und den Reiz unseres Lebens aus, sie macht unser Leben lebenswert und wertvoll. Dass Helfen Spaß machen kann – oder, „dass das Brot, das wir teilen, zuweilen als Rose auf unseren eigenen Tischen blüht“ – das ist die Botschaft, die das Leben der Elisabeth auch uns heute noch sagen, das ist die Ermutigung, die sie uns geben kann. Pfarrer Dr. Sigurd Rink, Propst für Süd-Nassau

Öffnungszeiten der Ausstellung sind Montag bis Freitag, 17 bis 20 Uhr. Führungen sind jeden Abend 19 Uhr, möglich. Anmeldungen und Informationen, auch für interessierte Gruppen unter Telefon 06432/910350.

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