Schulbücher in islamischen Ländern untersucht

RHEIN-LAHN. Ein Plädoyer für Schulbücher, die junge Muslime und Christen zu Frieden und Toleranz motivieren statt einseitig Ängste zu schüren, hat Pfarrer Dr. Wolfram Reiss abgegeben. Der evangelische Theologe, ehemaliger Gefängnispfarrer in Diez und Islam-Experte hat an einem Forschungsprojekt der Universitäten Rostock und Erlangen-Nürnberg teilgenommen, in dem Schulbücher in vier Staaten des Nahen Ostens auf das Bild hin untersucht wurden, das sie vom Christentum vermitteln.

Dass das christliche Europa der Erzfeind der islamisch-arabischen Kultur ist, dafür fand Reiss Anhaltspunkte in einem Geschichtsbuch der Oberstufe. Dort wird geschildert, wie der Westen zwar in den Kreuzzügen unterlag, dass die „Kreuzfahrer der Moderne, die Kolonialherren“ allerdings den Ägyptern ihre Herrschaft aufzwangen. Und Reiss liest ein Zweites aus den untersuchten Schulbüchern heraus: dass sich der Nahe Osten von der westlichen Welt seiner kulturellen und wissenschaftlichen Leistungen beraubt sieht.

„Dabei sind Vorderasien und Ägypten kulturelle und wirtschaftliche Zentren der ganzen Welt gewesen.“ Im Zeitalter der Renaissance habe sich die westliche Welt viel vom Wissen des Orients abgeguckt. Der Bogen schließe sich heute wiederum durch die militärische Präsenz des Westens im Nahen Osten, mit dem wieder ein Kreuzzug, diesmal gegen den Terrorismus geführt werde.

Wie tief die Angst vor dem christlichen Abendland verwurzelt ist, komme auch im Umfang zum Ausdruck, mit dem sich in den Schulbüchern geschichtlichen Auseinandersetzungen gewidmet wird. So würden die Kreuzzüge auf 16 Seiten, die nicht minder starken Verwüstungen, die die Mongolen in Ägypten hinterließen, nur auf anderthalb Seiten dargestellt. Die sich über Jahrhunderte entwickelnde Belagerung durch Mameluken und Osmanen werde gänzlich ausgespart. Und schließlich werde in der Bildungslektüre Ägyptens als wichtigste Aufgabe einer Regierung die Verteidigung gegen Feinde von außen und das imperialistische Gehabe des Westens angeführt.

Auf der anderen Seite habe der islamische Staat eine religiöse Toleranz gegenüber Christen und Juden zu Zeiten an den Tag gelegt, als sich der Westen noch den strengen römisch-katholischen Regeln unterwarf oder heftige konfessionellen Streit austrug.

Warum distanzieren sich die Muslime nicht deutlicher von Terrorakten religiöser Fanatiker? Wie weit ist es mit Wahrheit und Toleranz bei den Muslimen bestellt? Wird Europa bald muslimisch regiert? Reiss hat Verständnis für diese Fragen, resultierten sie aus der Tatsache, dass verschiedene Weltbilder aufeinander stoßen. Das hat er auch bei der Vorstellung der Forschungsergebnisse in den Ministerien gemerkt. „Ihr steht an der Wand und wir stehen auch an der Wand“, habe es dort gehießen. Diese gemeinsamen Probleme und Ängste müssten angesprochen und auf gleicher Augenhöhe diskutiert werden. „Nicht durch einseitig gefärbte Schulbücher, sondern durch solche, die zu Frieden und Toleranz aufrufen.“ 

Literaturhinweis: Klaus Hock/Johannes Lähnemann/Wolfram Reiss (Hg.): Schulbuchforschung im Dialog. Das Christentum in Schulbüchern islamisch geprägter Länder, September 2006, 18 Euro.

Speichere in deinen Favoriten diesen permalink.

Kommentare sind geschlossen.