Demographie: Zwischen Frust und Motivation

Innenminister Karl Peter Bruch sprach bei Weyerer Forum über lebendige Gemeinden

thumb_Weyer1RHEIN-LAHN. (19.Oktober) Ortskerne, in denen Häuser zerfallen? Zu Restaurants umfunktionierte Kirchen? Leer stehende Kindergärten? Renaturierte Straßen? Der Rückgang der Einwohnerzahlen lässt über manches Szenario im Rhein-Lahn-Kreis sinnieren. So geschehen beim Weyerer Forum, in dem Staatsminister Karl Peter Bruch mit den Besuchern über die Zukunft der Gemeinden aus demographischer Sicht diskutierte.

Wie Politik und Bürger dem nahenden Bevölkerungsrückgang in den rheinland-pfälzischen Gemeinden insbesondere im Rhein-Lahn-Kreis begegnen können, dazu gab auf Einladung der evangelischen Kirchengemeinde Weyer und der evangelischen Arbeitsgemeinschaft Erwachsenenbildung Rhein-Lahn Karl Peter Bruch, rheinland-pfälzischer Minister des Innern und für Sport, in Weyer Denkanstöße.

Die Zahlen könnten Angst machen, begrüßte Pfarrer Alfred Weinberg die Gäste im Sportzentrum. Da sei es wichtig, im Glauben Kraft und Hilfe für die Suche nach neuen Wegen und Ideen zu finden, auszuprobieren und sich nicht zu fürchten. Dem solle auch das Forum dienen. „Noch werden unsere Gemeinden vom Ehrenamt getragen. Aber wer geht morgen noch in Gemeinderäte, Sportvereine, Feuerwehr oder engagiert sich in den Kirchengemeinden, die Leben gestalten und Menschen bewegen?“, fragte Bruch in seinem Vortrag und machte klar, dass die Zukunft schon begonnen hat. Die Statistik geht von den weiblichen Einwohnern aus, die es bereits gibt. Selbst ein Zuwanderungsaufschwung könne die Entwicklung kaum bremsen, da sich diese der Geburtenrate der Deutschen anpassen. Die liegt zurzeit bei 1,4 Kindern pro Paar. Im extremsten Fall schrumpft die Landesbevölkerung bis zum Jahr 2050 von jetzt knapp 4,1 Millionen um knapp eine Million.

Zum einen gehe es um die Frage, ob es künftig wieder mehr Paare gibt, die „ja“ zum Kind sagen. Da lohne es, über Elterngeld, Kinderkrippen und Ganztagsschule nachzudenken. Bruch: „Auch wenn man das kritisch sehen mag, es wird gewünscht.“ Zum anderen müsse etwa beim derzeitigen Wertverlust von Immobilien gefragt werden, wie sinnvoll die weitere Ausweisung von Bauland ist. „Die Fixkosten für die Erschließung bleiben, auch wenn sie auf immer weniger Köpfe verteilt werden.“

thumb_Weyer2Ein stärkeres Engagement forderte Bruch von der Wirtschaft. Während heute Ausbildungsplätze fehlten, würden Betriebe ab 2010 händeringend nach jungen Leuten suchen. „Schon heute müsste stärker über Bedarf ausgebildet werden.“ Man könne nicht nur gebildeten Nachwuchs verlangen, Ehepaare, die bereit sind, in Mainz und Köln zu arbeiten und nebenbei Kinder zu erziehen – „und die Menschen bleiben dabei auf der Strecke.“ Er persönlich sehe auch keinen Gewinn darin, wenn Geschäfte sonntags geöffnet hätten.

Ein wichtiger Faktor im Wettbewerb um Einwohner sei eine lebendige Gemeinde. Das könne durch die Dorferneuerung und andere Fördertöpfe vom Land unterstützt werden, aber Initiative und Ideen müssten vor Ort entwickelt werden. Als motivierendes Beispiel nannte Bruch die Umwandlung ehemals militärisch genutzter Flächen. 60000 Arbeitsplätze kostete die Schließung der Militärflughäfen. „Heute haben wir durch die Umwandlung dort eine höhere Wertschöpfung als früher.“

Ideen für eine Belebung wurden in der Diskussion geäußert. Neben der Forderung nach einer Rheinbrücke, die für Arbeitsplatzsuche und Wirtschaft von Bedeutung sei, wurde ein Umdenken in den Gemeinden angeregt. Für Gemeinden, die auch für den immer größer werdenden Anteil an älteren Menschen noch attraktiv bleiben, sprach sich Dieter Zorbach von der Initiative 55 plus-minus aus. Der generationenübergreifende Dialog könne auch Jugend zum Engagement motivieren. „Dafür braucht es Bürgermeister und Pfarrer, die einen Anstoß geben.“ Aber auch die Gefahr, das Ehrenamt nicht noch mehr überzustrapazieren, wurde angesprochen. „Es sind ohnehin immer dieselben, die etwas tun“, so eine Teilnehmerin. (bcm)

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