Dekanatstag in Bogel: Frauen n?hern sich dem Fremden

thumb_1frauentagRHEIN-LAHN/BOGEL. „Wer bestimmt, was Gottes Wort bedeutet?“ Diese Frage stellte die Muslimin Senay Karaoguz beim Dekanatsfrauentag des evangelischen Dekanates St. Goarshausen in Bogel. Für die Referentin eine Kernfrage, wenn es um ein verständnisvolles Miteinander der Religionen geht. „Kopftuch und Moschee“ war das Motto des Nachmittages, zu dem Pfarrerin Barbara Helling und ihr Frauentags-Team rund 200 Frauen in der Bogeler Mehrzweckhalle begrüßen konnten.

Karaoguz, 32 Jahre Türkisch-Lehrerin an einer Grund-, Haupt- und Realschule, gab zunächst einen Einblick in das Leben muslimischer Familien. Während ihre Mutter und Oma noch in Religion und Traditionen verwurzelt gewesen seien, hätten diese ihren drei Töchtern Selbständigkeit beigebracht, um sich im Leben durchsetzen zu können, nach dem Motto „Beten könnt ihr dann immer noch“. Nach dem Studium der Islam-Wissenschaften und durch ihre Lehrertätigkeit habe sie erst die in Deutschland lebenden Türken richtig verstehen gelernt.

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In ihrem Vortrag sprach sie das Verbindende von Islam und Christentum an, vor allem den Glauben an den einen Gott, ob man ihn nun deutsch „Gott“ oder arabisch „Allah“ ausspricht. Und sie wies auf die unterschiedlichen islamischen Gruppierungen hin, die oft über einen Kamm geschert würden. Was ärgert mich am Islam? Was fasziniert mich? Was will ich wissen? Antworten auf diese Fragen konnten die Frauen auf Zetteln aufschreiben, die Karaoguz und Gisela Egler, Fachfrau für den interreligiösen Dialog in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), beantworteten.

Schwimmunterricht und die Teilnahme an Klassenfahrten islamischer Schülerinnen wurden dabei ebenso thematisiert wie die Bedeutung des Kopftuchs. Karaoguz sprach sich gegen Kopftücher in der Schule aus, weil es die Kinder sehr belaste. Was Klassenfahrten anbelange, habe sich bewährt, muslimische Erwachsene mitzunehmen. Gisela Egler beobachtet, dass viele junge muslimische Frauen in oder nach der Pubertät gerade mit Kopftuch oder Schleier Protest gegen eine Gesellschaft zum Ausdruck bringen wollen, in der Frauen zunehmend über ihren Körper definiert werden. Auf der anderen Seite kämen sich Jugendliche, die versuchten, sich ihrer deutschen Umgebung anzupassen, oft sehr allein vor, weil sie weder von Muslimen noch von Deutschen anerkannt würden.

thumb_1giselaeglerEgler nannte es problematisch, wenn Christen gegen den Bau von Moscheen in Deutschland wetterten, weil es in muslimischen Ländern schwierig sei, christliche Kirchen zu errichten. „Unser Glaube lehrt uns Nächstenliebe. Wir wollen, dass die Rechte überall gewährt werden.“ Deshalb sei es wichtig, miteinander ins Gespräch zu kommen und die christlichen Gemeinden im Ausland zu unterstützen. Und sie sprach sich gegen den Versuch aus, pauschal die „muslimische Frau“ beschreiben zu wollen.

Alle Fragen konnten an dem Nachmittag nicht beantwortet werden. Wie Barbara Helling mag es vielen der Frauen ergangen sein, die feststellte, wie schwierig es ist, komplexe Strukturen und Strömungen im Islam auseinanderzudividieren sowie Trennendes und Gemeinsamkeiten zum Christentum zu verstehen. „Ängste entstehen, wenn Menschen auf Fremdes treffen.“ Umso wichtiger sei es, sich von Bildern im Fernsehen und Vorurteilen nicht überwältigen zu lassen, sondern genauer hinzuschauen, sich zu informieren und daran zu denken, dass es auch muslimischen Frauen darum geht, richtig wahrgenommen zu werden. „Es ist Aufgabe von Christinnen und Christen, sich im besonderen Blick Gottes zu üben: Andere lieben und anschauen, wie Gott uns liebt und anschaut.“ (bcm)

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