WEYER/RHEIN-LAHN. Hat die evangelische Kirche im Jahr 2025 noch genügend Geld, ihre Pfarrer zu bezahlen? Wie und wo erreicht Kirche ihre Mitglieder? Auf welche gesellschaftlichen Veränderungen muss sich die Landeskirche von Hessen und Nassau einrichten? Was kommt auf die Landgemeinden an Rhein und Lahn zu? Fragen, die jetzt beim Weyerer Forum mit einem prominenten Kirchenvertreter diskutiert wurden. Prof. Dr. Peter Steinacker, Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), referierte im vollen ehemaligen Pfarrhaus von Weyer zum Thema „Was wird aus unserer Kirche?“
Steinacker erinnerte an den Reformprozess, der von der Landeskirche vor fast 20 Jahren in Gang gesetzt wurde. „Unsere Landeskirche war die erste in Deutschland, die sich überlegt hat, was aus der Volkskirche wird und welche Reformen notwendig sind.“ Noch als Dozent und Pfarrer der Rheinischen Landeskirche in Wuppertal an der Entwicklung von 110 Reformvorschlägen beteiligt, machte er sich nach seiner Wahl zum EKHN-Kirchenpräsidenten 1993 an deren Umsetzung.
29 verschiedene Ämter und Einrichtungen wurden zu fünf Zentren gebündelt mit Handlungsfeldern, die laut Steinacker für eine moderne Volkskirche unabdingbar sind: Verkündigung, Seelsorge, Bildung (Steinacker: „Wie sollen Menschen etwas über den Glauben wissen, wenn es nicht von Kindheit an gelehrt wird?“), Diakonie und Ökumene. Ein echter Sparbeschluss sei die Reduzierung von 29 auf 14 Regionalverwaltungen gewesen. Die tiefgreifendsten Veränderungen seien mit der Dekanatstrukturreform verbunden, an deren Auswertung zurzeit gearbeitet werde.
„Wir wollten damit Verantwortung aus dem fernen Darmstadt in die Region geben, damit sich Kirche dort stärker vernetzen kann“, so der Kirchenleitende. Zwar begründeten mehr als 80 Prozent der Evangelischen ihre Mitgliedschaft mit der Zugehörigkeit zur Kirchengemeinde, „aber sie leben ihr Leben nicht mehr allein in der Gemeinde, sondern engagieren sich regional“, so Steinacker. „Wenn sie in der Gemeinde wirklich leben würden, wie könnte es dann zu so miserablen Zahlen bei den Gottesdienstbesuchen kommen?“
Die Lebenswirklichkeit der Menschen spiele sich schon lange nicht mehr allein in der so genannten Parochie ab, sondern zum Einkaufen, Fußballspielen oder dem Flötenunterricht und vielem anderem mehr werde die Region genutzt. Mit der Reform sei die EKHN einen strukturellen Schritt auf die neuen Vernetzungen der Menschen zugegangen. Vor diesem Hintergrund, insbesondere auch mit Blick auf den demografischen Wandel, erarbeite die Landeskirche jetzt ihre Perspektiven 2025 – ein Impulspapier, das Ideen für eine zukunftsfähige Kirche aufzeigen möchte. „Dass wir jetzt das Geld unserer Enkel verfrühstücken, wie es in der Politik der Fall ist, darf bei uns nicht passieren.“ Und Steinacker prophezeit: „Das wird auch Streit geben.“
Steinacker regte eine Umsteuerung an, um den finanziellen Herausforderungen gerecht zu werden. „Vielleicht müssen wir unseren Gleichheitsgrundsatz überdenken und auf ungleiche Bedürfnisse auch ungleich reagieren.“ So könne er sich vorstellen, auf dem Land mehr Pfarrstellen zu installieren als in einer Stadt, wo eine Vernetzung leichter fällt. „Aber hier befinden wir uns noch mitten in der Diskussion.“
Für die Anwesenden war vor allem der Wegfall von Pfarrstellen schmerzlich. Gastgeber Pfarrer Alfred Weinberg erinnerte an den Verlust der Weyerer Pfarrstelle und zuletzt die Zusammenlegung von Niederbachheim mit Dachsenhausen. „Es ist eben ein Unterschied, ob der Nachbar vom Besuchsdienst zum Geburtstag kommt oder der Pfarrer“, so ein Teilnehmer. Er verstehe die Frustration, wenn gerade in den Landgemeinden Pfarrstellen gestrichen werden. „Aber sagen sie mir eine Lösung, wie es bezahlt werden soll. Sie werden immer weniger.“ Die Kirche gehe von einem Prozent weniger Kirchensteuer jedes Jahr aus, mit der wachsenden Anzahl von Rentnern, die keine Kirchensteuer bezahlen, beschleunige sich der Prozess noch.
Der Kirchenpräsident erinnerte in der Diskussion aber auch daran, dass es innerhalb der Landeskirche noch nie so viele Gemeindepfarrstellen wie heute gegeben habe und dies bei sinkenden Mitgliederzahlen. So gab es 1975 noch 992 Gemeindepfarrer bei 2,3 Millionen Mitgliedern, aktuell sind es 1068 bei 1,8 Millionen Mitgliedern. (bcm)
