DIEZ-FREIENDIEZ. Leben und Wirken der Elisabeth von Thüringen, die vor 800 geboren wurde, haben die Menschen rund um Diez mit großem Interesse verfolgt. Eine Wanderausstellung in der evangelischen Jakobuskirche in Diez-Freiendiez wurde von mehr als 700 Personen besucht, darunter auch einige Schulklassen. Diese Bilanz zog Pfarrerin Simone Bachinger, die zusammen mit Dekan Hans-Otto Rether die Ausstellung organisiert und außerdem zu informativen Vorträgen eingeladen hatte. Zuletzt zeigte der Organisator der Ausstellung, Dr. Jürgen Römer, in einem gut besuchten Vortrag, dass Elisabeths Leben Fragen aufwirft, die die heutige Gesellschaft bewegen. Mit einem Info-Abend im DRK-Krankenhaus am 27. Juni werden die Veranstaltungen zum Elisabeth-Jahr im evangelischen Dekanat Diez fortgesetzt.
Die Frage nach der Aktualität Elisabeths heiligen Lebens stand im Mittelpunkt eines Vortrags von Dr. Jürgen Römer, der die Wanderausstellung zum 800. Geburtsjahr Elisabeths konzipiert hat. Römer gab einen Überblick über die Biographie Elisabeths, die nur 25 Jahre alt wurde. Von der Zeit ihres kurzen Lebens sei nur ihr Todesdatum dokumentiert, keine anderen Gedanken und Aufzeichnungen. „Das Reden und Schreiben über Elisabeth – soweit es noch erhalten ist – setzt erst nach, oder besser: mit ihrem Tod ein“, so Römer. Diesen Texten sei mit „großer Vorsicht zu begegnen“, weil sie auch im Hinblick auf eine angestrebte Heiligsprechung verfasst worden seien.
Römer erinnerte an eine Reihe der Elisabeth-Forschung vorliegender biografischer Schlüsselerlebnisse und –begegnungen, die ihren Lebenswandel – die Abkehr vom Hochadel und die Hinwendung zu Kranken und Schwachen – verständlich machen, etwa ihr Umgang mit Bediensteten oder die Begegnung mit dem Kreuzzugsprediger und Ketzerverfolger Magister Konrad von Marburg. Nach dem Tod ihres Mannes Ludwig schwört die Landgräfin in Marburg allem Weltlichen ab. Unter dem Einfluss der religiösen Ideen des Franz von Assisi und der frommen Armutsbewegung, die Frauen in ganz Europa ergriff, widmet sie ihr Leben und den größten Teil ihres Besitzes nun der Pflege von Armen und Kranken – so intensiv, bis ihre Kräfte schwinden und sie in der Nacht zum 17. November 1231 stirbt, was Pilgerströme zu ihrem Grab nach Marburg auslöst.
„Die Berichte und Erzählungen über die sich nach wenigen Tagen am Grab ereignenden Wunder werden das Ihre dazu getan haben“, so Römer. Auch Menschen aus dem Raum Limburg-Weilburg berichten von Wundern. So erzählt Römer von einer Frau namens Hedwig aus Limburg, die unter Eid aussagte, dass der Sohn des Limburger Bürgers Hermann Castolf ganz verwachsen und bucklig gewesen sei und den Kopf nicht habe heben können. „Am Grab der heiligen Frau in Marburg sei er schnell und vollständig geheilt worden“, zitierte Römer. „Es ist einerlei, ob diese Wunder sich tatsächlich ereignet haben oder nicht: für das kollektive Bewusstsein sind sie real“, so der Referent. An Pfingsten 1235 spricht Papst Gregor IX. sie heilig.
Römer macht deutlich, dass die Wirkung Elisabeths auch in den Bildern begründet ist, die in sie hineinprojiziert werden. „Wir sprechen zumeist nicht über einen historischen Menschen, sondern über ein kulturell-religiöses Konstrukt, an dem nach wie vor gearbeitet wird.“ Das hindere nicht an Denkanstößen, die Elisabeths Leben heute gibt. Beispiele: „Sie kann uns sehr wohl daran erinnern, dass das Gesicht unseres zu pflegenden oder zu betreuenden Gegenübers das Antlitz Gottes ist.“ In Zeiten zunehmender ökonomischer Zwänge auf dem Pflege- und Gesundheitssektor gebe dies dem Patienten seine oftmals gefährdete Würde zurück. Die Besinnung auf spezifisch christliche Grundlagen moderner Diakonie sei in der Konkurrenz mit anderen, nicht kirchlichen Anbietern ein nicht zu unterschätzendes Argument. Elisabeths Forderung nach gerecht erworbenen Speisen und Getränken stehe in direktem Zusammenhang mit der Fair-Handels-Bewegung. Elisabeth könne zu einer Ikone fairer Partnerschaft im Welthandel werden. Sie habe auch in der aktuellen Diskussion um Arm und Reich Fragen zu stellen. Die Radikalität ihres Verzichts zu Gunsten der Armen, Kranken, Bedrohten fordere heraus. „Wie viel wollen und werden wir selbst aufgeben?“
Elisabeth sei jedoch keine Sozialrevolutionärin, wollte zu keinem Zeitpunkt die Grundlagen der Gesellschaftsordnung ihrer Zeit umstürzen. „Sie will helfen, deren schlimmste Auswirkungen zu bessern.“
Mit einem Informationsabend im DRK-Krankenhaus in Diez am 27. Juni, 19 bis 21 Uhr, wird die Veranstaltungsreihe im Dekanat Diez zum Elisabeth-Jahr fortgesetzt.
