RHEIN-LAHN/BAD EMS. Die Fixierung auf kirchliche Funktionäre in Talkshows ist typisch deutsch, Frauen können kein Priester werden, man kann nicht segnen, was die Bibel ausdrücklich als Sünde bezeichnet, kein Papst will in die Schlafzimmer hineinregieren – Sätze, mit denen der Theologie-Professor Klaus Berger jetzt die Zuhörer im evangelischen Gemeindehaus von Bad Ems zum Nachdenken anregte. Der Katholik und emeritierte, zuvor langjährige Professor für evangelische Theologie Dr. Klaus Berger warb in seinem Vortrag auf Einladung des ökumenischen Arbeitskreises um eine neue Einheit der Christen.
„Die Zeit der Konfessionen ist vorbei“, so Berger. Zwischen Katholiken und Protestanten sieht er die Annäherung – vor allem der evangelischen zur katholischen Kirche – weit fortgeschritten. Einige Beispiele: Mystik sei für Evangelische kein „Teufelswerk“ mehr, sie entdeckten vielmehr die Spiritualität für sich und sogar der evangelische Oberhirte Bischof Huber nutze den Begriff „Heilige“. Die zunehmende „Selbstsäkularisierung“ sei ein gemeinsames Problem, das allerdings kaum mit einem Trend zum Modernsein gelöst werden könne, wenn etwa unter dem Motto „Jesus liebt alle“ jeder am Abendmahl teilnehmen könne und bei evangelischen Kirchentagen fernab jeder Liturgie Apfelsinen statt Oblaten ausgeteilt würden, überspitzte der Referent.
Die Ordination von Frauen bleibt laut Berger für Katholiken und orthodoxe Christen tabu, und er erklärt es mit dem biblischen Gott, der in Konkurrenz zu menschlichem Gebären steht. „Eva heißt das Leben. Das irdische Leben ist toll und wunderbar“, so Berger, aber Kinder im Reich Gottes würden nicht „geboren“. Die göttliche Botschaft stehe außerhalb menschlicher Geschlechter, insofern sei die gebärfähige Frau zur Verkündigung nicht geeignet, mangels anderer außermenschlicher Alternativen bleibe nur dem Mann die Verkündigung vorbehalten.
Kein Verständnis bringt der Theologe für die Schwulen-Segnung auf. „Kann man etwas segnen, das in der Schrift ausdrücklich als schwere Sünde bezeichnet wird?“ Ebenso ablehnend steht er der evangelischen Praxis von „Ehescheidungsgottesdiensten“ gegenüber. Sicher könne auch ein Seelsorger im Beichtstuhl als Ort der Barmherzigkeit die „Fünfe gerade sein lassen“ – Berger: „Kein Papst will ins Schlafzimmer reinregieren“ – aber man müsse das deshalb nicht zur Regel machen. „Das hat nichts mit Heuchelei zu tun, sondern mit Barmherzigkeit.“
Und Berger betont die Profilierung christlicher Werte und Normen gegenüber dem Islam als Ökumene-fördernd. „Das Christentum ist eine Religion der Mittler. Solch eine Figur hat der Islam nicht.“ Die Bibel werde von der Kirche, nicht von Philologen herausgegeben, wendet sich der Referent gegen die zunehmende Individualisierung christlichen Glaubens nur weil jeder, der eine Bibel lesen könne, meine, eine Kirche gründen zu können. Berger warnt davor, die „versöhnte Verschiedenheit“ mit einer „beliebigen Verschiedenheit“ zu verwechseln. Der kleinste gemeinsame Nenner, das „Skelett der Gemeinsamkeiten“ habe nichts mit der gemeinsamen Christenheit zu tun. Insoweit sei ein gemeinsamer Religionsunterricht, der sich nur auf Bibelkunde beschränke, für Katholiken eine Skelettierung des Glaubens.
Die Vision von einer Einheit der Christen führt angesichts von Sparzwängen und demographischer Entwicklung für den Theologen zurück zu den christlichen Wurzeln: Die Menschen scharen sich um geistliche Zentren, dort, wo es gute Gottesdienste gibt, so wie sie es zu Zeiten der Christianisierung getan hätten. „Im Herzen“, so Berger“, „geht es mir um das Neue Testament, nicht um Konfessionen.“ Ein Vortrag, der reichlich sowohl zu kontroversen Diskussionen als auch zum Nachdenken über das Christsein in der eigenen Konfession animierte. (bcm)
